Als Mutter kommt man an Grenzen, die man vorher nicht erahnen konnte.
Bevor ich Kinder hatte, wusste ich so ziemlich genau wie ich ein Kind erziehen würde, das gerade Terror im Supermarkt macht. Oder wie ich anstelle der Mutter dem Kind Manieren bei Tisch beibringen würde.
Ich war eindeutig der Typische Fall von „ich hab zwar keine Kinder, aber iiiich würde…!“ bla bla bla.
Doch dann kam Aennie
Inzwischen hab ich das Muttersein auf alle seine schönen und schmerzhaften Weisen kennen lernen dürfen.
Meine persönlichen Grenzen musste ich neu stecken und der Schlafmangel ist an manchen Tagen kaum in Worte zu fassen.
Während ich nebenbei versuche die Fotografie als Beruf nicht schleifen zu lassen und mit voller Leidenschaft und Herz meine Aufträge umsetze, freue ich mich danach umso mehr mit offen Armen und strahlenden Augen empfangen zu werden.
Meine Arbeitszeiten am Computer werden nach den Schlafenszeiten der Kleinen gelegt und um Steve nicht zu kurz kommen zu lassen, versuchen wir alle Essenszeiten gemeinsam zu halten.
Warum ich nicht schimpfe
Wenn ich gefragt werde, wie ich erziehe, dann antworte ich inzwischen oft mit einem einfachen „Gar nicht“.
Meistens wird das natürlich für einen Scherz gehalten, aber Aennie lebt wirklich relativ unerzogen.
Regeln und Grenzen bringt ein Alltag in unserer Gesellschaft einfach mit sich, aber ich versuche es ihr gut vorzuleben anstatt es ihr vorzuhalten und sie in Muster zu drängen aus denen ich selbst ausgebrochen bin oder immer ausbrechen wollte.
Anstatt also zu schimpfen und mich so über sie zu stellen, versuche ich ihr auf einer Ebene zu begegnen und ihr zu erklären und vorzuleben. Es fehlt ihr nicht an Respekt vor mir, nur weil ich nicht laut werde oder ihr drohe, ganz im Gegenteil – Den Respekt den ich gebe bekomme ich min. genauso zurück.
Ein guter Beitrag dazu hier
Wenn wir uns also zum Beispiel den wöchentlichen Einkauf bei den Heimanns vorstellen wollen, dann läuft es oft so ab, dass Aennie weiß, sie darf sich genau wie Mama und Papa ein Teil (das einen gerade anlacht) aussuchen und es in den Wagen legen. Während wir dann durch die Regale fahren, schiebt sie entweder einen kleinen Einkaufsvagen, sitzt in dem großen Wagen und hilft beim Einkaufszettel abhaken oder kuschelt sich in meinen Arm.
Natürlich kommt es auch vor, dass sie durch die Regal irrt und ziemlich viel bunte Sachen sieht die ihr gefallen würden. Aber zu meinem Erstaunen interessiert es sie mehr, aus Regalen gefallene Sachen aufzuheben und wieder zurückzulegen, als irgendetwas unbedingt kaufen zu wollen.
Sie weiß inzwischen wie es in einem Supermarkt abläuft und das man vorher gemeinsam einen Zettel schreibt und versucht sich daran zu halten. Natürlich überkommt sie oder auch mich mal der Heißhunger und wir gehen mit mehr chips aus dem Laden als geplant. Aber wenn ich mich da selbst verleiten lasse, kann ich ihr schlecht verbieten eine Melone/Nougateier/odersoetwas mitzunehmen, die wir zwar nicht brauchen, die sie aber unheimlich gern isst. Sie wartet dann auch ganz geduldig bis wir an die Kasse gehen und ihr ausgesuchtes Teil „piep“ machen kann.
Ich komm nicht daran vorbei sie immer wieder anzusehen und voller Stolz zu denken, dass sie zu mir gehört.
Sie ist mit ihren 2 Jahren schon unglaublich einfühlsam und verständnisvoll. Mich erstaunt so oft wie sie mit Dingen umgeht oder meine Gefühle wahrnimmt.
Wenn sie etwas tut, dass ich gerade nicht erwartet hätte oder „das man eben nicht macht“, dann versuche ich kurz durchzuatmen und mich in sie hineinzuversetzen . Ich erkläre ihr wie ich mich dadurch fühle und warum ich nicht möchte, dass sie so etwas macht. Wenn sie wütend ist, frage ich sie, ob ich sie in den Arm nehmen kann bis sie sich besser fühlt, oder ob sie mit mir die Kissen auf der Cooch aufschütteln möchte die man so schön dabei boxen kann damit die Wut rauskommt.
Ich möchte ihr zeigen, dass es unglaublich wichtig ist auch Wut und Trauer zu spüren und dass sie weinen darf wenn ihr danach ist. Wenn sie sich verletzt, auch wenn es nicht schlimm ausgesehen hat, versuche ich den Schmerz nicht zu werten. Ich nehme ihre Gefühle ernst und biete ihr meine Hilfe an.
Ich hüte mich davor zu sagen „war doch gar nicht schlimm“ oder „ist schon wieder gut, ist nichts passiert ich habe es gesehen“.
Denn wenn es für sie in genau diesem Moment schlimm war oder es eben einfach weh tat. Dann darf es das auch. Und dann hab ich nicht das Recht dazu ihre Gefühle abzuwerten. Ich muss auch nicht dramatisieren, sondern ich bin einfach da und biete ihr meine Nähe an. Diese nimmt sie auch oft an und wir Teilen uns dann quasi den Schmerz, weil mein Mamaherz da auch ziemlich oft blutet (oder eben Steves Papaherz).
Es gibt Ausnahmen. Ausnahmen an denen ich schlecht geschlafen habe oder einfach gereizt bin. Jeder hat mal einen schlechten Tag. Ich muss ihr meine Gefühle auch ehrlich zeigen und da kommt es vor, dass ich unfair werde. Nicht oft und nicht schlimm, aber unnötig. In diesen Momenten kommt Aennie zu mir her, streichelt meine Wange und sagt „mama gut?“. Ich nehme dann auch ihre Nähe an und erkläre ihr, dass ich nicht laut werden wollte, oder dass ich einfach einen schlechten Tag hatte und wenn sie möchte können wir uns ein wenig auf die Couch setzen und kuscheln. Meistens kommen wir zusammen aus diesem Loch heraus und sind füreinander da. Oder man wechselt sich mit dem Partner ab und geht mal in die warme Badewanne. Ein kurze aber wichtige Pause einlegen. Oft genügt aber auch schon ein Durchatmen und einen Gang zurückzuschalten.
Meines Erachtens wird in unserer Gesellschaft zu wenig Verständnis für andere aufgebracht und ich finde es wichtig, unseren Kindern nicht beizubringen sich in der harten Welt durchzukämpfen, sondern die Welt besser zumachen. Ihnen Liebe und Verständnis mit auf den Weg geben und jede Zelle ihres Körper zu schätzen und zu achten lernen.
Nach einem Krankenhausaufenthalt vor etwa 3 oder 4 Wochen, bei dem ich zum Glück die ganze Zeit bei ihr bleiben durfte, war sie sehr mitgenommen und regelrecht traumarisiert. Wir gaben uns größte Mühe, ihr beizustehen und zu geben was sie gerade braucht. Wir 3 verbrachten eine komplette Woche kuschelnd auf der Couch und tankten Energie. Steve und ich wechselten uns ab menschliches Kissen zu sein und von Tag zu Tag verbesserte sich ihr Zustand.
Sie begann wieder zu reden und zu rennen und wir konnten gar nicht glauben wie hart es ist, wenn du nicht helfen kannst. Wenn du deine Gefühle komplett zurück nehmen musst, damit du genug Stärke aufbringst um nicht zu einem Wrack zu werden.
In dieser Zeit half mir ein Buch ganz besonders stark:
Achtsame Kommunikation mit Kindern: Zwölf revolutionäre Strategien aus der Hirnforschung für die gesunde Entwicklung Ihres Kindes
ich lege es wirklich jedem ans Herz, der sein Kind artgerecht fördern und vor allem verstehen möchte.
Es hilft euch zu verstehen warum es manche Dinge macht und wie ihr am besten damit umgehen könnt.
in diesem Sinne…schönes Wochenende bei Kuschelwetter!